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Entstehung der Kaisersagen (Barbarossasagen)

Bereits während der frühen Eisenzeit wohnten Menschen auf dem Kyffhäuserburgberg, wie Grabungsfunde belegen. Vermutlich ist auch eine längere Besiedlung des Berges nicht auszuschließen.

Die mittelalterliche Burg wird unter König Heinrich IV. in der letzten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden sein. Eine chronikale Überlieferung von 1118 berichtet, daß die Burg „Cuffese" nach dreijähriger Belagerung von dem sächsischen Pfalzgrafen Friedrich zerstört und ihre Besatzung niedergemacht wurde.

Bald nach der Zerstörung erfolgte der Wiederaufbau der Burg, jedoch fehlen Belege über Beginn und Ende der Bauzeit. Urkunden, auch jene von Friedrich Barbarossa, lassen 1153 lediglich einen Gerwig von Cuphese als Reichsministerialen erscheinen. Es ist anzunehmen, daß zu dieser Zeit die Burganlage fertiggestellt war.

Wenden wir uns nun den historischen Ereignissen zu, welchem die Kyffhäusersage ihre Entstehung verdankte.

Da wird mit siebzehn Jahren der in Sizilien aufgewachsene Friedrich II. durch Papst Innocenz III. und einiger seiner Anhänger auf den deutschen Königsthron erhoben. In dieser Zeit gelangte die Inquisition zu einer festen Organisation der Kurie - Scheiterhaufen in allen Landen zeugten von deren Tätigkeit. Im Resultat nahmen die Einkünfte der Kirche erheblich zu und mit diesem Reichtum ging eine Üppigkeit sowie Sittenlosigkeit unter dem Klerus einher.

Als der Papst seine Vormachtstellung gegenüber Friedrich II. weiter festigte, war die Konfrontation mit dem sittenstreng erzogenen König vorprogrammiert.

Für den Aufschub eines Kreuzzuges verhängte der Papst den Bann über Friedrich. Nach der darauf erfolgten Eroberung des heiligen Grabes wurde der König vom Bann befreit. Wenig später jedoch, als die Macht Friedrichs zunahm, wurde er erneut mit der hohen päpstlichen Strafe belegt. Die Auseinandersetzungen zwischen beiden Gegnern nahmen erheblich an Schärfe zu, als Friedrichs Bestrebungen, die entartete Kirche in die apostolische Einfachheit zurückzuführen, bekannt wurden. Vom Papst aller seiner Würden entsetzt, hielten jedoch die weltlichen Fürsten und einige Städte dem König die Treue. Der Thüringer, Heinrich Raspe, wurde zum Gegenkönig ausgerufen - ein Schritt, dem eine Auflösung aller gesetzlichen Ordnung folgte. Das Faustrecht regierte im Land. Die wenigen Aufenthalte Friedrichs in Deutschland brachten nur vorübergehend Ruhe und Ordnung.

Plötzlich und unerwartet stirbt 1250 Friedrich II. 56jährig in Unteritalien vermutlich an der Ruhr.

Noch zu Lebzeiten hatte der Klerus eine Lehre vom Antichrist verbreitet und erwartete deshalb, von Friedrich ausgehend, ein gewaltiges Strafgericht. Da jedoch das erwartete Unheil ausblieb, glaubten Anhänger des Papstes nicht an ein plötzliches Verschwinden des großen Gegners. Sie vermuteten, der König lebe in einer geheimnisvollen Weise weiter. Noch unerklärbarer waren die Todesumstände in Deutschland. In der „Detmarschen Chronik von Lübeck" wurde der Versuch aufgezeichnet, die Entstehung des Glaubens an ein Fortleben Friedrichs zu erklären. Er begünstigte die Verbreitung und Festsetzung dieses Glaubens außerordentlich. Jan Enenkels Weltchronik von Wien verzeichnet, daß überall in welschen Landen ein großer Streit herrsche, ob Friedrich gestorben ist oder nicht. Ein weiteres Zeugnis vom Glauben an ein Fortleben waren jene, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mehrfach aufgetretenen, „falschen Friedriche". Der wohl bedeutendste unter ihnen „Tile Kolup" wurde 1285 von Rudolf von Habsburg in Wetzlar als Ketzer verbrannt. Der Chronist „Johann von Winterthur" berichtete 1348: - viele versicherten, Friedrich werde mit großer Heeresmacht wiederkommen, um die entartete Kirche zu bessern. - „Er wird in die Herrlichkeit des Reiches zurückkehren und wird dem armen Weibe den reichen Mann zur Ehe geben, die Nonnen verheiraten und die Mönche zur Ehe anhalten, den Witwen und Waisen beistehen und alle Gerechtigkeit erfüllen. Die Pfaffen aber wird er furchtbar verfolgen und die Mönche, zumal die Minoriten, die meist seine Feinde waren, von der Erde vertilgen. Er wird mit großem Heere über das Meer ziehen und auf dem Ölberg oder an einem dürren Baume sein Reich niederlegen.''

Um 1400 wurden Dichtungen bekannt, die, wie bereits bei Winterthur aufgezeichnet, an ähnlichem Inhalt orientierten, so zum Beispiel das Meisterlied aus einer Münchener Handschrift von Acetin, auch die sogenannte süddeutsche „Sibyllenweissagung" oder das Gedicht von Oswalt zu Königsberg. Bei allen Schriften findet sich der gleiche Grundtenor: der verschwundene Friedrich soll wiederkehren; von dem Zurückkommenden erwartet man die Niederwerfung des Pfaffentums.

Der hessische Chronist Gerstenberger berichtet um 1500 zum Jahr 1286* -im Anschluß an das Auftreten des Tile Kolup: „Unde ist noch in Doringen. wie das er (Friedrich) noch leben sulle uff syme slosse kouffhussen. Daß beschribt Diderich von Engelhussin auch Johann Rytessel in siner Chroniken."

„von den ketzern keisser Frederichs unde wie er uff der burgk kufhussen wandierte." Mit diesem Titel widmet 1421 Johannes Rothe, ein Eisenacher Stadtschreiber, ein Kapitel seiner „Duringischen Chronik" dem Staufer auf dem Kyffhäuser. Dem streng katholischen Gewissen entsprechend, hängt Rothe seiner Aufzeichnung ein Ketzersiegel an, indem er die Volkserzählung für einfältige Christen verführerisch wähnte und als des Teufels Werk bezeichnete.

Die Ketzergestalt Friedrichs steht im 14. Jahrhundert auch mit einer geheimen, antiklerikalen religiösen Sekte in Verbindung. Sie hatte im nördlichen Thüringen sowie dem Südharz zahlreiche Anhänger, die mit Feuer und Schwert verfolgt wurden.

Mit der Einrichtung einer Wallfahrtskapelle auf der Kyffhäuserunterburg wurde somit die Absicht verbunden, den Spuk um den wiederkehrenden Friedrich zu bannen.

Aus einer Baseler Schrift des Jahres 1537 gehen erstmals bestimmte Angaben über den Aufenthalt des Sagenkaisers hervor. Danach soll Friedrich seine Wohnung in einem Berge bei Frankenhausen haben. Ein Schafhirt hat ihm dort zu Ehren gepfiffen und wurde von dem hervorkommenden Kaiser aufgefordert, ihm zu folgen. In einem schönen Saal mit vielen Rittern wurde der Hirte mit dem Fuße eines goldenen Fasses belohnt. Im Bericht des Johannes Praetorius aus dem 17. Jahrhundert finden sich dann weitere Ausschmückungen der Sage wie zum Beispiel, daß der Kaiser an einem Tisch im Halbschlaf sitze, sein grauer Bart um den Tisch wachse und er einen Hirten fragte, ob die Raben noch um den Berg flögen. Vermutlich sind auch Attribute der alten Göttersagen in diese Deutungen eingeflossen. Die Götter der Germanen sollten ja in oder auf heiligen Bergen wohnen. Auch der Kyffhäuserburgberg wurde in früheren Zeiten „Wodansberg" genannt.

Mit der Verbreitung des Christentums wechselten die alten Göttersagen zu Heldensagen - die Edda zur Nibelungensage. Die heiligen Berge wurden nicht mehr von Göttern bewohnt, sondern von Helden. Einen solchen Helden sah das Volk in Friedrich II.

Nach mittelalterlichen Vorstellungen sollte das Kaisertum auf religiösem, politischem und sogar sozialem Gebiet Heil bringen. Sein Name war deshalb mit der Hoffnung auf einen erreichbaren Frieden verknüpft. Wie sich die beiden Gestalten, Friedrich I. und sein Enkel Friedrich II., zu einer Sagengestalt vermischten, ist vermutlich der Schrift des Stadtarztes „Adelphus zu Landshut" 1519 zuzuschreiben, worin er Kaiser Friedrich I. als Barbarossa mit einem langen roten Barte bezeichnete und ihn in seinem „holen Perg" hausen läßt? Schließlich hatte auch der Großvater Friedrich II. die Burg Kyffhausen mit erbauen lassen, als Wahrzeichen kaiserlicher Macht, die noch dazu eine gewaltige politische Bedeutung als Feste zwischen den großen welfischen Herzogtümern darstellte. Die in dem 1519 erschienenen Volksbuch erzielte Breitenwirkung mit Barbarossa als Sagenkaiser hatte Auswirkungen auf viele weitere um den Kyffhäuser angesiedelte Volkssagen. Der endgültige, von der Literatur übernommene Einsatz „Friedrich Barbarossas" in die Kyffhäusersage erfolgte im 19. Jahrhundert durch Vertreter der deutschen Romantik. An die Stelle des umherwandernden Kaisers rückte nun der im Berge schlafende Barbarossa, dessen roter Bart durch einen Tisch gewachsen war, während die Raben um den Berg flogen.

Auch Barbarossa wartete auf eine Wiederkehr. Seine Abgesandten nahmen sich der Armen an, brachten Geschenke und straften die Bösen und Habgierigen.

Die eigentliche Sage um Friedrich II. und der damit verbundene tiefere politische Inhalt mußte den neuen Versionen und Phantasien verschiedener Schriftsteller Platz machen.

Friedrich Rückerts Ballade „Der alte Barbarossa, der Kaiser Friedrich" von 1817 ließ den Gedanken von der Wiederkehr „des Reiches Herrlichkeit" aufleben und sicherte dem Kyffhäuser endgültig den Vorrang in der Örtlichkeit zur Kaisersage.

In der Folgezeit galt der Berg fortschrittlichen Kräften als Sinnbild politischer und sozialer Erneuerungen, auch dem Streben nach einer politischen Einheit in Deutschland. Die Vielzahl von Abhandlungen und Dichtungen aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts über den Kyffhäuser und seinen Sagenkreis symbolisieren die Popularität jener Stätte. Mit der Reichsgründung 1871 wurde der Kyffhäuser zum Leitmotiv erfüllter Kaiserträume. Eine Flut von Schriften befaßte sich mit der Kyffhäusersage, denen sich zahlreiche poetische Ergüsse mäßiger Art anschlössen mit dem Ziel, das Volk in seinem Geschichtsbewußtsein gezielt zu beeinflussen (siehe Nr. 1: „Barbarossas Einzug auf Burg Kyffhausen"). Das Kaiserreich des 19. Jahrhunderts entsprach weder den Wünschen der Bauern, die einst ihre Hoffnungen auf eine Wiederkehr des Herrschers setzten, noch den Vorstellungen jener Patrioten, die für politische und soziale Erneuerungen kämpften. Es war vielmehr von der Vorherrschaft Preußens geprägt und vermochte ebensowenig die Sehnsucht nach einem dauerhaften Frieden zu erfüllen.

Der Kyffhäuser wurde, und dies bereits vor der Errichtung des Denkmals, zu einer Stätte übersteigerter nationalistischer Kundgebungen. Mit der Errichtung des gewaltigen Kyffhäuserdenkmals auf dem Terrain der ehemaligen mittleren Burganlage nutzte das Wilhelminische Kaiserreich die Volkssage über Friedrich Barbarossa zur eigenen Reichsverherrlichung.

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