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Die Wallfahrt

Im Jahre 1433 entstand eine ungeheure Wallfahrt nach Kyffhausen, zu einem hölzernen Kreuz in einer Kapelle, davon wußte man große Zeichen und Wunder zu vermelden. Graf Heinrich von Schwarzburg, der Dreiundzwanzigste seines Namens, dem damals die Burg gehörte, hatte die Kapelle droben prächtig erbauen lassen, und der Tag ihrer Weihe ward zu einem Fest für ganz Thüringen. Vierzigtägiger Ablaß wurde all denen erteilt, welche dorthin wallfahrten. Da strömten von allen Seiten zahllose Wallfahrer herbei, und mancher erkaufte mit schwerem Geld die Erlaubnis, sich auf dem Kirchhof neben der Kaiserkapelle begraben zu lassen, sobald sein letztes Stündlein geschlagen. Besonders groß war der Zulauf an den Einweihungstagen, Kreuzerfindung und Kreuzerhörung, an den Festtagen der Jungfrau Maria und am Peter- und Paulstag, welchen Aposteln die Altäre der Kapelle geweiht waren, nicht minder am Himmelfahrtstage, wo die Erde ihren Schoß aufgetan hat und in voller Frühlingsfrische dem Himmel entgegenlacht. Da soll manch ein Wunder sich ergeben haben, und davon ist in der Sage die Rede, daß in der Himmelfahrtsnacht der Berg sich öffne, daß alle Herrlichkeit der Tiefe sichtbar werde, daß die Schätze heraufrücken, die blaue Wunderblume blühe, und jedem Glücks- oder Sonntagskinde Erwünschtes begegnen könne, so es nur zur rechten Stunde komme. Darum sind noch lange nachher, als Burg und Kapelle noch in ihrer Pracht gestanden, Wallfahrer auf den Berg gegangen; und nachmals, als auch diese längst ausblieben und Burg wie Kapelle verfallen waren, haben den Berg in solchen heiligen Nächten Kuxgänger, Schatzgräber und Venezianer- vielfach besucht und die Ruinen durchgraben und durchkrochen. Es wird erzählt, daß einige solcher Leute auf dem verödeten Platz der Kapelle und auf dem Kirchhof ihr Glück gemacht haben sollen.

Die Grafen von Schwarzburg, als Lehnsherrn der Burg „Kyffhusen", hatten in ihrem Lehnsbrief zu Beginn des 15. Jh. vom Thüringer Landgrafen die Auflage übernommen, Burg und Wohnung darin instand zu halten. Das wird nicht allein den Ausschlag zur Wiederherstellung der verfallenen Kapelle zum „Heiligen Kreuz'' gegeben haben, die 1433 im Auftrag des Mainzer Erzbischofs eingeweiht wurde. Absicht war, mit dieser Wallfahrtskapelle dem Spuk um den Ketzerkaiser Friedrich II. ein Ende zu setzen. Auch die Schwarzburger hingen, wie viele des Hochadels, streng dem Katholizismus an und waren dem Papst Untertan. Die Zahl der Wallfahrer schnellte tatsächlich in die Höhe. An manchen Feiertagen sollen bis zu Zwölftausend gezählt worden sein. Außer dem üblichen Ablaß konnten nur begüterte Wallfahrer gegen schweres Geld einen Liegeschein für den Kapellenfriedhof erwerben. Mit Beginn der Reformation im 16. Jh. erlosch auch die Bedeutung der heiligen Kapelle. Als sich 1540 eine Räuberbande in den Kellern der Unterburg häuslich einrichtete, war die Wohnung - zur Kapelle gehörend - längst verwaist und der größte Teil der Burganlage eine Ruinenlandschaft. Für das Suchen und Graben nach verborgenen Schätzen gab wohl das Raubgesindel, welches öfter die Ruinen der Burg als zeitweiligen Unterschlupf nutzte, den größeren Anlaß.

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