Sie sind hier: sittendorf.de » Geschichte » Sittendorfs wechselvolles Schicksal

Sittendorfs wechselvolles Schicksal

Im zehnten Jahrhundert gegründet - Leben und Werk der Ahnen 

Sittendorf in der goldenen Aue liegt zwischen dem Nordfuß des Kyffhäusergebirges und dem Südhang der Brückenschen Heide in 160 Meter Seehöhe. Am Dorf fließt der Sittendorfer Bach oder Siechengraben vorbei, der an den Bärenköpfen in der Nähe des Kyffhäuser-Denkmals entspringt und sich unterhalb von Kelbra mit der Helme vereinigt. 
Die Chronik von Sittendorf ist wie bei allen Dörfern unserer Landschaft in den Grundzügen von dem unvergeßlichen Nordhäuser Heimatforscher Karl Meyer festgelegt, und jede neue Darstellung ruht auf seinen Veröffentlichungen. 
Das Dorf wurde in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts von König Heinrich I. oder seinem Sohn Kaiser Otto I. dem Großen gegründet und mit slawischen Hörigen aus dem Land östlich der Saale besetzt. Den Beweis dafür erbringt eine Urkunde vom Jahr 1128. Danach erwarb der Probst Heinrich für sein Domherrenstift Jechaburg (bei Sondershausen) die Zehnten, welche die Bewohner von vier slawischen Dörfern in der goldenen Aue an das Erzbistum Mainz zahlten. Es lautet da: decimationes slavoricum viculorum in Odesleden, Bechersdorph, Lindescun, Sidendorph. Das heißt: die Zehnten der slawischen Dörfchen Othstedt (wüst bei Windehausen), Bechersdorf oder Wärsdorf (wüst zwischen Urbach und Leimbach), Lindeschu (wüst zwischen Sittendorf und Kelbra) und Sittendorf. Noch um 1150 werden in Sittendorf Slawen erwähnt. 

Von Slawendörfern in der goldenen Aue

Außer den eben genannten Dörfern waren aber in der Goldenen Aue noch andere Ortschaften als slawische Kolonien gegründet worden. So bei Wallhausen, Altwenden und Nausitz und ein anderes Nausitz bei Sittendorf, ferner Stedten bei Tilleda. Diese vier Orte gingen wieder ein. Bis heute erhalten haben sich die Slawendörfer Windehausen, Bielen, Steinbrücken und Rosperwende. Außerdem wurden Slawen angesetzt in den Dörfern Breitungen, Topfstedt und Tilleda. Der Westteil von Breitungen hieß lange Wendischen-Breitungen (1341 Windeschen-Breitungen). In Topfstedt und Tilleda hieß der von den Slawen besetzte Ortsteil Keitel (Kietel). Topfstedt ist längst in Berga eingemeindet. Diese Slawendörfer sind also ungefähr 1000 Jahre alt und gehören zu den jüngsten Siedlungen unserer Heimatlandschaft.
Der Name Sittendorf ist nun aber nicht slawisch, wie z. B. auch der Kelbraer Chronist Lehmann behauptet, und bedeutet nicht "südliches Dorf", sondern ist deutsch. Die einen leiten das Wort ab von side = tief liegendes Land, die anderen von sütte = Lache, Pfütze. Wahrscheinlich ist es das "Dorf eines Mannes Sitto". Dem Namen zufolge ist Sittendorf schon zwischen 531 und 800, zur Zeit der Frankenherrschaft, gegründet worden und daher wohl nicht, wie auch K. Meyer will, ein durchaus slawisches Dorf, sondern ein deutsches Dorf, in dem ein Teil mit Slawen besetzt wurde.

Von den Landesherren

Zur Frankenzeit gehörte Sittendorf zum Nabelgau und lag in dessen äußerster Nordwestecke. Kelbra und Roßla gehörten bereits zum Helmegau. Die Grenze zwischen beiden Gauen verlief über die Brückensche Heide zum Wolkental, dann zur Quitsche und zur Haardt und von dieser südwärts zwischen Nausitz und Lindeschu zum Steintal des Kyffhäusers.
Zur Zeit der Sachsenkaiser war Sittendorf Reichsgut und Zubehör des Königshofes Tilleda. Es kam mit Tilleda 1290 als Reichslehn an die Grafen von Rothenburg-Beichlingen, welche damals das Amt Kelbra bildeten. Mit dem Amt Kelbra kam es 1430 (??) an die Grafen von Honstein und 1413 an die Wettiner, die das Amt erst verpfändeten und 1428 an die Grafen von Stolberg und von Schwarzburg verkauften.
Man hat lange geglaubt, daß die hessische Abtei Hersfeld in unserem Dorf Besitz gehabt hatte. Ein Ort Sibichendorf gehörte nämlich im 11. Jahrhundert einem Adligen Gerhard, dem Brudersohn des Hersfelder Abtes Ruthard (1059 bis 1072). Der Abt brachte um 1060 durch seinen Bruder, den "Vormund" des jungen Gerhard, den Ort durch Vergleich an seine Abtei. Gerhard erhielt eine Pension. Aber dieses Sibichendorf dürfte kaum unser Sittendorf sein. Nach anderen ist es Sittichenbach bei Querfurt oder Siebigerode bei Eisleben.
Vom Erzstift Mainz und vom Stift Jechaburg hörten wir schon. Das Georgskloster in Kelbra erhielt 1319 eine halbe Hufe Landes zu S. vom Grafen Friedrich dem Älteren von Rothenburg-Beichlingen und seinen Söhnen Friedrich und Gerhard zu einem Seelgerät. Das Elisabeth-Hospital in Kelbra erhielt noch 1654 Zinsen von einigen Sittendorfer Grundstücken. Die Martinikirche in Stolberg kaufte die 1319 genannte Hufe vom Kloster Kelbra.
Im frühen Mittelalter gab es im Dorf einen Rittersitz der Herren von Sittendorf, von denen wir aber nur einmal etwas hören. Im Jahr 1340 wohnt eine Frau von Sittendorf in der Sackgasse zu Nordhausen. Dann hatten auswärtige Adlige im Dorf Besitz. So verschreibt 1487 Graf Heinrich von Stolberg dem Hans von Bleicherode, dem er 500 rheinische Gulden schuldet, 80 Gulden Jahreszins aus Sittendorf und Lindeschu. Bis 1474 hat Ulrich von Brücken, der Besitzer des Brückenschen Lehngutes in Kelbra, Besitz in S. Diesen Besitz erhalten am 4.11.1474 die Brüder Tiezel, Bruno und Bernd von Karl auf dem Karlschen (früher Brückenschen) Lehngut in Kelbra. Zum Alten Hof in Kelbra, dem Rittergut der Herren von Hake bis 1648, dann derer von Arnswald, gehörten 1 ½ Hufen Artland in Sittendorfer Flur (1684, 1710). Zum Kelbraer Rittergut Oberhof, damals in Händen der Brüder Bluhme, gehörten 1711 in der Sittendorfer Flur 8 Acker Wiesen.
Die herrschaftliche Domäne auf der Kelbraer Wasserburg besaß in S. eine Schäferei, welche später an die von Arnswald kam. Im Jahr 1641 kaufte dieses Schäfereivorwerk samt 4 Hufen Landes Viktor von Linsingen. Daraus entwickelte sich das von Linsingensche Rittergut. Man geht deshalb vielleicht nicht fehl in der Annahme, daß dies Schäfereivorwerk aus dem Rittersitz derer von Sittendorf hervorgegangen ist. Die anderen von Linsingen besaßen eines der Tilledaer Rittergüter. Im Jahr 1827 bestand das Rittergut Sittendorf nur aus einer Schäferei mit Gebäuden, einer freien Schaftrift und 2 Hufen. Die beiden anderen Hufen waren also verloren gegangen. Trotzdem war das Gut schriftsässig. Es war ein Mannlehngut und relevierte zur Hälfte vom Kgl. Preuß. Oberlandesgericht in Naumburg, zur Hälfte von der gräflich-stolbergischen Gesamtlehnskanzlei zu Stolberg. Demgemäß stand es in Realien unter dem Kgl. Pr. Gericht und unter dem gräflich-stolbergischen Gemeinschaftsgericht der Ämter Kelbra und Heringen.

Aus der Dorfgeschichte

In der Dorfchronik ist vielfach von den Frondiensten die Rede. So vergleichen sich 1447 die beiden Landesherren (Graf Heinrich von Stolberg und sein Schwager Graf Vlotho von Stolberg) wegen der Frondienste in der Herrschaft Kelbra. Danach fronen die Bergaer dem Stolberger, dagegen Tilleda, Urbach, Thürungen und Sittendorf dem Schwarzburger. Am 18. 10. 1487 weist Graf Heinrich von Stolberg 80 Gulden Jahreszins aus Sittendorf und Lindeschu an.
Am Bauernkrieg 1525 haben sich die Sittendorfer wacker beteiligt. Sie sind "auff anregen Etlicher ihrer Nachbaren zur Uffrur bewegt, auffgestanden und von ihren gnädigen Herren apgehalten und zu den Hauffen gehnn Frangkenhausen gelauffen und haben sich mit demselbigen verbunden". Es werden ihnen dafür 40 Gulden Strafgeld auferlegt. Sie kamen noch ganz gut weg; Tilleda zahlte 300, Berga sogar 600 Gulden. Aber die Sittendorfer können nicht gleich zahlen, und deshalb stellen der Schultheiß Hans Günther, der Vormund Kersten Libau und die ganze Gemeinde ihren gnädigen Herren, dem Grafen Günther dem Jüngeren von Schwarzburg und Botho von Stolberg, einen Schuldbrief aus. "Der Erbare und Bheste Heinrich Hagke zu Tulleda wohnend bekrefftigt und vorpitzschirt den briff"
Im Jahr 1673 geht die schwarzburgische Regierung in Frankenhausen scharf gegen die Gemeinde vor von wegen verweigerter Frondienste ("Bothdienste"). Der Prozeß zog sich sehr in die Länge. Am 29. 4. 1702 schließt die Regierung mit den Kelbraer Amtsdörfern einen Vergleich wegen der Bothdienste am Kelbraer Schloßbau. Unbeschadet des Ausfalls des Prozesses (den die Dörfer gegen die Regierung führen) sollen die Gemeinden folgendermaßen fronen: 1. Kelbra einmal herum; dann 2. Berga und Urbach einmal durchgehends; dann 3. Kelbra einmal durchgehends; 4. Thürungen, Sittendorf und Tilleda einmal herum. Der Vergleich wurde aber nicht gültig, weil die Regierung es versehentlich unterließ, den Vergleich in allen Amtsdörfern zu veröffentlichen.
Am 5. 12. 1753 gestattet Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen (der Oberlehnsherr) den Gemeinden Sittendorf, Tilleda und Thürungen das Brauen von Koseni (Hausbier) "im Gnadenwege". Die Folge davon war, daß die Tranksteuer einen großen Ausfall hatte. Die drei Dörfer mahlten ihr Gerstenmalz in den Mühlen, wobei sie kaum kontrolliert werden konnten. Der Kosent war eben richtiges Bier, und aus Kelbra holten die Sittendorfer so gut wie gar kein Bier mehr. Deshalb stellte die sächsische Regierung 1768 Erhebungen an, wie dem verfallenen Brauwesen wieder aufgeholfen werden konnte. Und 1772 tat Kurfürst Friedrich August III. der Stadt Kelbra kund, daß das den Amtsdörfern zugestandene Kesselbrauen wieder aufgehoben werden soll, um die Stadt in Zukunft vor Schaden zu bewahren.
Auch das Bäckereigewerbe zu Kelbra wurde mal von den Sittendorfern geschädigt. Im Jahre 1771 beschwert sich der Kelbraer Bäckermeister Gottfried Fest beim Stadtrat, daß die Frau des Sittendorfer Schackenschäfers Riecke unbefugt Dreierbrote in der Stadt anbiete. Da zog dann der Ratsdiener auf behördliche Weisung 16 Brote bei der Frau Riecke ein, welche dann an die Insassen des Hospitals verteilt wurden.
Im Dezember 1802 starb in der Kelbraer Fronfeste der Sittendorfer Anspänner Martin Hammer. "Er wurde bald nach seinem Ableben ohne Zeremonien das Nachts auf dem Stadtkirchhof beerdigt".
Noch im Jahr 1832 hören wir von Frondiensten. Die preußische Regierung hielt z. B. fest an den Fronen für den Bau der Straße Berga-Tilleda.

Ein Rundgang durchs Dorf

Sittendorf zeigt noch einige Reste der alten Dorfbefestigung, wie sie in einigen anderen Dörfern der Goldenen Aue noch sehr schön erhalten ist, z. B. in Görsbach. Im Norden führte die Roßlaer Landstraße durch das Schaftor ins Dorf hinein. Am entgegengesetzten Südende geht es durch das Drecktor zur Landstraße Kelbra-Tilleda. Die Dorflage macht fast den Eindruck eines Runddorfes (Rundling), den man früher für eine typische slawische Dorfform hielt.

   
 

Sittendorf - Kirche um ...  vergrößern

 

Die Kirche, eine uralte Pfarrkirche, ist dem Heiligen Lorenz geweiht. Sie wurde im 12. Jahrhundert erbaut und ist 1864 erneuert. Aus dem alten Bau ist nur noch das rundbogige Turmfenster erhalten. Der Turm aus Bruchsteinen steht am Ostende des Baues und trägt ein Ziegelzeltdach. Ein achteckiger barocker Taufstein aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts ist an vier Seiten mit Engelsköpfen besetzt. Die Kirche gehörte zum alten Kirchenkreis Frankenhausen, der in seinem Umfang dem Nabelgau entsprach.
Das Gemeindesiegel zeigt ein Kreuzbanner tragendes Gotteslamm, gerade wie zu Hohlstedt, Sundhausen und Straßberg.
In der Mitte des Dorfes auf dem Dorfplatz steht der Dorfbrunnen. Daneben sehen wir einen sehr alten Taufstein als Wassertrog und zwei Steinplatten. Unter der nördlichen Steinplatte lagen früher sehr alte Säulenkapitäle und Säulenstücke.
Sittendorf liegt an zwei alten Heerstraßen, was sicherlich bei der Gründung des Dorfes berücksichtigt wurde: an der Kaiserstraße und am Rennweg. Die Kaiserstraße verband den Königshof Nordhausen mit der Kaiserpfalz Allstedt. Sie zog von Kelbra über die Lindische Kirche und den Südhang der Haardt nach Sittendorf und weiter zum Königshof Tilleda. Bei Sittendorf zweigte sich von der Kaierstraße der Rennweg ab. Er zog über die Brückensche Heide nach Brücken und weiter zur Kaiserpfalz Wallhausen.

(Quelle: Dr. Alfred Berg, aus: Sangerhäuser Zeitung, 3. Blatt, Nr. 171 vom 23. Juli 1938)

zurückSeitenanfang Seite drucken

Kommentare und Ergänzungen zu dieser WWW-Seite an: guenther@ungerweb.de
URL: http://www.sittendorf.de/geschichte/sittendorfs_wechelvolles_schicksal.html